Neu eingespurt 

23.04.2024

Zwei Sommersaison auf der Rigi und eine Wintersaison in Oberwald lagen hinter mir, als ich im Januar 24 von meiner dritten Rumänienreise in die Schweiz zurückkehrte. In der Gastronomie war Hochsaison, aber ich hatte entschieden, dass ich eine Stelle jenseits eines A-la-Carte-Betriebes suche. Zum Beispiel in der Küche eines Altersheimes. 

Es klappte nicht. 
Ich bekam oft keine Antwort oder eine Absage. Das war ungewöhnlich. Bisher bewarb ich mich in 3 Betrieben und hatte danach stets einen Saisonjob. 

Mehrmals war ich in Versuchung den Weg des geringsten Widerstandes zu wählen und mich in einem A-la-Carte zu bewerben. Aber dann las ich in meinem Bulletjournal wieder meine Notiz, vom Winter 23: "Es gibt keinen Grund, mich auf diesen Tag zu freuen".  Immer wenn ich diese Notiz wieder lese, bin ich zutiefst schockierte darüber, was eine überaus stressige und belastende Saisonstelle mit meinem Gefühlsleben anstellen kann. Sie machte mir deutlich, das ich mir solche Jobs nicht mehr antun darf. Jedenfalls keine Saison lang. Sie sind meinem "Gute-Museumstage-Programm" abträglich, obwohl ich die Arbeit im Restaurant eigentlich sehr gern tue.

Wenn man zu hassen beginnt, was man zu tun liebt

Offensichtlich, so beobachtete ich bei meinen letzten Chefs, gehört das in vielen Betrieben dazu: die Hassliebe zum Job: eigentlich liebt man die Aufgaben als Gastgeber, aber am Ende der Saison hört man schon mal Sätze wie "am liebsten würde ich diesen Laden verkaufen" die sogar drohten, mit einem Gewehr in die Gaststube zu gehen und den Gast mit Sonderwünschen umzubringen. Was witzig klingen mag, nahm ich nicht als Witz auf. Mir war unterdessen klar, dass viele Gastwirte extrem viel für ihren Betrieb tun (müssen) und sie sich zum Opfer machen (lassen): Selbstvernachlässigung selbstausbeutung sich selbst und seine Bedürfnisse opfern. Da hilft es auch nicht, an den schönsten Orten der Schweiz zu leben und zu arbeiten.

Deutschlehrbuch statt Kochlöffel

Kurzum vorerst konnte ich in der Gastrobranche nicht finden, was ich wollte. Aber eines Morgens klingelte mein Handy und Flying Teachers zeigte sich an meinen Kompetenzen als Erwachsenen-bildnerin interessiert. Man bot mir ein Praktikum als Deutschlehrerin an.
"Wenn die eine Tür nicht aufgeht, nehme ich die andere", sagte ich mir. Nicht zuletzt, weil ich weiss, dass ich an vielen Orten der Welt und auch online als Deutschlehrerin arbeiten kann, wenn ich erst mal die nötige Erfahrung vorweisen kann.

Ich bestand die Probelektion problemlos, boxte mich durch das äusserst anstrengende On-boarding-Programm durch und stand wenige Wochen danach vor 8 Kursteilnehmenden, die die Anfängerstufe A1.1 erreichen möchten. Jetzt, im April, stehen die 8 kurz vor dem Abschluss des Kurses und haben deutliche Fortschritte gemacht.

Keine Wohnung, kein Lohn, aber ein Praktikum - wie geht das?

Da mir dieser Auftrag Zeit lies fragte ich beim Yamagishihof in Hagenbuch an, ob ich gegen Kost und Logis mitarbeiten kann. Die Idee als wooferin (siehe wwoof.net) unterwegs zu sein begleitet mich schon lange. Der Wunsch wurde noch bestärkt, als ich eine Doku von "mona mittendrin" sah, die über Menschen, die ohne persönlichen Besitz leben berichtete. Den genannten Yamagishihof.

Leben ohne persönlichen Besitz 

Mitarbeit bei der Hofgemeinschaft auf dem Yamagishi-Hof

Mir wurde zugesagt, dass ich im Garten und Haushalt mithelfen kann und so bekam ich einblick in einer grosse Bäckerei, die Caramelköpfliproduktion und durft schon in den ersten Tagen für die ganze Wohngemeinschaft, ca. 10-15 Personen Schnitzel braten. 

Kochen für die Yamagischi-Hofgemeinschaft
Kochen für die Yamagischi-Hofgemeinschaft

Lavendel frisierte ich, zupfte Unkraut und rückte zusammen mit Christoph zum grossen Fenster-putzen aus und half, zusammen mit einer Gruppe Interessierten die Weiden zu schneiden. 

Zwar strengte mich die Vorbereitung der Deutschstunden sehr an, dennoch genoss ich die "Schulstunden" bei Flying Teachers. Schwierig war vor allem, dass der Unterricht gleichzeitig in Präsenz und Online stattfindet (Hybrid, nennt das die moderne Schule). Womit man meiner Meinung weniger die Vorteile von zwei Lernformen verbindet, sondern eher die jeweiligen Nachteile. Aber die praktischen Arbeitseinsätze und der Kontakt zu den Einzelnen auf dem Yamagishihof halfen mir dabei den Kopf immer wieder frei zu bekommen. Solange ich die Hände in der Erde oder im Paniermehl hatte und auch mal Dampf ablassen konnte, wenn ich Schwierigkeiten hatte, war ich davor verschont den Kopf zu verlieren. 

Erkenntnisse vom Yamagishi-Hof

Wie sich bald herausstellte, war der Titel der Sendung "mona mitten drin" eher irreführend. Denn auf dem Yamagishihof gibt es eine Menge Besitz und um einen minimalistischen Lebensstil geht es auch nicht. Das wurde mir spätestens in dem Moment klar, als ich für die Reinigng des Küchenbodens eine Maschine vorgestellt bekam, die so gar nicht in meine Vorstellungen von Ressourcenschonen und einem bescheidenen Lebensstil passte. "Jedem sein Spielzeug" sagte ich mir. Schliesslich sind auch mir manche Dinge wichtig, die für andere ein Luxus oder gar sinnlos sind.

Bald schon verstand ich, dass es eher um ein Verständnis darüber geht, dass wir uns nicht in Besitzansprüche verheddern und eine Haltung habe, dass jeder auf andere angewiesen ist und jeder Dinge braucht und Geld braucht aber auch jeder etwas beizutragen hat.

Ganz durchleuchtet habe ich all das nicht in den 2 Wochen, aber das war auch nicht mein Ziel. Es interessiert mich, ob ich noch mehr darüber lernen kann, wie man einen ressourcenschonend und eigenständig lebt. Dabei ist vor allem eines klar geworden: wie gern ich selbst mit Lebensmittel arbeite. Dass das ernten, verarbeiten von Lebensmittel, insbesondere von Pflanzen, wie zum Beispiel der Rosmarin, mir grosse Freude macht.

So entschied ich mir einen weiteren Hof zu suchen, bei dem ich wwoofen kann und der Schwerpunkt in der Lebenmittelproduktion und im Garten liegt.

© 2019 besser-als-zuvor, Daniela Räber, 6356 Rigi-Kaltbad
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