Notizen: Die Welt ist mein Wohnzimmer2

30.08.2020

"schlendern" lernen in Faro

ohne Eile heisst mein Blog, dass es so uneilig werden würde mit der Rückreise habe ich nicht gedacht

Ich muss auch nicht zurück. Bin dabei Projekte im Internet zu realisieren -neben meinem Buch, das Fortschritte macht aber langsam (Stadium Grobversion fertig, Feinschliff teilweise auch, hier und da grobe Baustellen

Denn nach den vielen Wochen ohne Wohnung ist mir klar: ich brauche keine. Ich will lieber die Welt sehen und mein eigenes Tempo haben statt wegen der doppelt so hohen Lebenskosten mich zur Eile antreiben lassen zu müssen

Man wird sehen ob meine Bemühungen schon erfolgreich sind. Wenn nicht, habe ich nicht die Absicht am Vorhaben selbst etwas zu ändern. Dann muss ich einen anderen Weg finden.



 In Genf nachgefragt, wann der Bus nach Perigueux kommt

in 5 Minuten

das kenne ich. Ich zwinkere und scherze, wieviele Stunden genau?

Wir lachen beide

und dann sage ich spontan: ist ja eigentlich egal. Ich habe sowieso tagelang Zeit

Auf dem Weg zum Bus denke ich: stimmt ja gar nicht. Ich habe den Rest meines Lebens Zeit. Nur am 20.4. habe ich einen Termin, aber streng genommen...

Aber noch strenger genommen, hatte ich schon mein ganzes Leben lang ein Leben lang Zeit. Selstam das mir das erst jetzt auffällt

Das ist der erste Effekt, den ich spüre. Mit der Entscheidung alles was ich habe in ein Mini-Zimmerchen zu stopfen hat sich gegen aussen mein Leben verkleinert und innerlich dehnt sich alles aus:

ich habe Zeit den Rest meines Lebens

ich habe meine Wohnung aufgegeben und dadurch gemerkt wieviel ich noch habe, von dem ich mich schon beim Einräumen ernstlich fragte ob ich das wirklich alles brauche. Mein Hab und Gut schien mir plötzlich überdimensioniert

Genau wie meine leergeräumte, frisch geputzte 3 Zimmer-Wohnung.

Als ich für die Schlusskontrolle ins Socken herumwanderte, dachte ich: habe ich all die Jahre so viel Platz gebraucht?
Kein Wunder war mir die Putzerei und Abstauberei manchmal (also meistens) zu viel.

Da muss ich ja eine Unmenge Zeit hineininvestiert haben

Jetzt am zweiten Tag meiner Reise habe ich schon einige Pannen hinter mir

das computerkabel war am neuen Computer auf schweizerisch, so konnte ich in meinem Flixbus-Büro (von Genf nach Perigeux) unvorhergesehen nicht arbeiten

mein GPS konnte mich nicht lotsen, weil ich mich geirrt habe und gar keine Europakarte darauf ist

umsie hochzuladen müsste ich ein kabel haben, das aber in der Schweiz ist

irgenwo hat sicher jemand eines, mal gucken, ob ich das finde

eine Socke ist nach einer Nachtreise bereits ein riesiges Loch. Nicht schlimm an sich, aber einschneidend wenn man nur 2 Paar dabei hat

mein buch hat mich heute morgen vor einer viertelstunde langeweile bewahrt, dafür war klar, dass es nicht mehr besser wird, als die 5 Kapitel zuvor, also habe ich es weggeworfen (für ein Bücherliebhaber ein no go, aber die Geschichte war einfach zu schlecht und in Perigeux ein deutsches Buch "zufällig" liegen lassen, schien mir auch nicht sinnvoll

Allerdings - was lese ich in nächster Zeit wenn ich warten muss, ich nur deutsch lesen möchte und ich nicht online sein kann?

Jetzt könnte ich es brauchen, wenn es eine Sammelstelle für Allerlei in jedem Dorf/Ort gäbe, so dass ich gucken kann, ob es das gibt, was ich brauche um es dann anderswo wieder in eine Box zu legen, wenn ich es nicht mehr brauche.

Wie beim Umzug. Nur umgekehrt. Da tauchte dies und das auf von dem ich es schade fand, es wegzuwerfen, aber nicht alles fand jemand, der das gerne haben wollte. überflussmanagement

Mir kommt es vor, als richte ich mich in meinem Leben gerade neu ein.
Es ist nicht anders als ein Umzug in eine neue Wohnung: das was ich brauche finde ich gerade nicht, oder nur, wenn ich danach suche

ich weiss noch nicht recht,wie ich mich neu organisiere. Die Abläufe sind noch unklar.

Jetzt ist mir das klar.

Als vor eingien Wochen plötzlich ein Augen(entzündung) auftrat, musste ich zuerst mal realisieren: mich überfordert gerade die Aussicht, dass ich kein Zuhause mehr habe. Nicht weil das an sich ein Problem ist, sondern weil das viele meiner Alltagsstragien ins Leere laufen lässt. Sprich mein Gewohnheitsnetz ist mächtig gefordert und wankt.
Ich weiss, wie ich in meinem bisherigen Leben zu dem komme was ich brauche. Ich habe eine Wohnung, da kann ich ausruhen, Wäsche waschen, meine Freizeit verbringen, da ist alles was ich brauche um als Berufsmensch und Freizeitmensch zu funktionieren. Ich weiss nicht, wie das in Zukunft sein wird.

Beispiel: ankunft um 5.55 in Perigueux, extra ein Zimmer gemietet, das ab 13 Uhr bezugsbereit ist und dann einfach um 10 ins Hotel zu gehen, weil es kalt ist und ich mangels strom und Internet und zuviel Gepäck nichts zu tun weiss und freundlich zu sagen, ich wäre schon mal da, kann ich das Gepäck da lassen und zu erleben, nein, ich bekomme sofort ein Zimmer und kann mich aufwärmen ein bisschen nachschlafen, denn so super schlafe ich beim Busfahren auch nicht, obwohl es bestimmt 4-5 Stunden waren.
Menschen um Hilfe bitten ist eine grosse Strategie, die meine Wohnungslosigkeit mit sich bringt. Da bin ich kein Hirsch

mich darauf einlassen, in ein Land zu kommen, dessen Sprache ich nicht beherrsche und dass ich mich für 2 Tage darin einrichten werde

Wie in einem riesigen Haus in dem ich ein Raum nach dem anderen erkunde mit einem unterschied: wenn ich zu weit weggehe, schaffe ich es nicht zurück ins eigene Bett und muss andere Lösungen finden.

Wichtigste Fragen: wo finde ich Strom, wo Internetanschluss? Was esse ich und wo, wo arbeite ich und wann und wo schlafe ich und wie. Fragen, die sich sonst nicht stellen, heisst aber nicht, dass ich mit nichts anderem beschäftigt bin

ganz schrecklich: heizungsfeindliche Spanier ziehen ständig Stecker raus. 17 Grad im Zimmer... und draussen ist es nass. Strumpfhosen müssen her

ein wunderschöner Tag in San Sebastian, warme Temperatur von 15 Grad endlich trocken

statt fernsehen auf der Bank sitzen und den Leuten am Strand zusehen. Noch schöner: den Menschen die den Menschen am Strand zusehen zusehen und sie fotografieren, wenn sie selbstvergessen ins Beobachten geraten

Bis halb drei alles bestens. Dann die Krise: kein Strom mehr. Um 22 Uhr fährt der Bus. Bedeutet, will ich bis dahin arbeiten muss ich entweder Papierkram erledigen oder damit warten bis ich im Bus wieder Strom haben

Neue Variante wäre gewesen: im Hostel bleiben und um 21.30 losgehen. Aber das wäre eine vollkommen neue Strategie

Wäre ein anderes mal gut. Für heute bin ich trotzdem zufrieden, weil ich so Zeit hatte um in San Sebastian unterwegs zu sein

© 2019 besser-als-zuvor, Daniela Räber, 6356 Rigi-Kaltbad
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