Rumänien - das Unbekannte lädt zum Bleiben ein

16.09.2022
Rumänisches Dorf weit draussen auf dem Land
Rumänisches Dorf weit draussen auf dem Land

Nach der belastenden Saison in Disentis packte ich Ende Februar meine Koffer, reiste damit nach Lyss, packte da die Koffer aus und packte sie gleich neu. Denn ein Abenteuer wartete auf mich.

Während ich in Disentis, mit dem grimmig schweigenden Antonio das Zimmer teilte und die stummen Vorwürfe ertrug, hatte ich Pläne geschmiedet. Meine Lebensqualität empfand ich damals als unterirdisch schlecht. Und so hielt ich, mit der Aussicht auf einen gehörigen Tapetenwechsel, den Kopf über Wasser.  


Osteuropa zieht mich an

Bulgarien stand schon länger auf meiner Reise-Wunschliste. Doch Antonios Fokus lag im 2021 erst mal darauf, in seinem Heimatland Portugal eine kleine Bleibe zu finden. "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben", sagte ich mir damals. Jetzt machte das Aufschieben keinen Sinn mehr. Eine Busfahrt nach Rumänien war rasch gebucht, ebenso das erste Hostel in Timisoara.


Zwischenstopp Rumänien - der Plan mit ultrakurzer Lebensdauer

Geplant hatte ich mir Sofia anzusehen und von da aus mit dem Zug - ohne Eile, mit etlichen Zwischenstationen - zum bulgarischen Meer, nach Warna oder Burgas zu kommen. Auf einer anderen Route - bei Reiseantritt war noch offen auf welcher - würde ich ebenso gemütlich in die Schweiz zurückfahren. Zeit hatte ich bis Ende März

geplante Route nach Bulgarien
geplante Route nach Bulgarien

Timisoara in Rumänien sollte anfangs März als Zwischenstation dienen, da ich der Umwelt und mir zuliebe nicht mehr fliegen will. Ich würde mir einige Tage Zeit lassen, um die lange Anreise per Bus/Zug zu verdauen und die Stimmung in diesem Land wahrzunehmen. Ziel war es von Rumänien einen ersten Eindruck zu bekommen. "Nur mal so hineinspüren", um zu entscheiden, ob ich später von diesem Land mehr sehen möchte. So hatte ich mir das gedacht. Doch es kam anders.

Fahne von Rumänien
Fahne von Rumänien

Erste Station: Timisoara (Temeswar)

Schon kurz  nach der Abfahrt vom Busbahnhof in Zürich wurde mir klar, dass in diesem Bus etwas anders ist. Hier herrschte weder die schweizerische noch die deutsche Kultur. Die Stimmung war entspannt und ausgelassen. Einige Fahrgäste scherzten mit dem Chauffeur und seinem Begleiter. Es wurde gelachte und lauthals gesungen. Als der Toiletten-Türgriff innen abfiel, mussten sich die Benutzer des stillen Örtchens per Klopfzeichen bemerkbar machen, um aus dem Kabäuschen "gerettet" zu werden. Das diente der noch grösseren Erheiterung aller Mitfahrenden. Die Nacht war ziemlich unbequem, aber amüsant. 

Überraschend gepflegt: das Stadtzentrum von Timisoara

In Timisoara, der drittgrössten Stadt von Rumänien, angekommen, stiess ich rasch auf die Touristeninfo. Dort bekam ich einen Stadtplan und - nachdem meine Nationalität geklärt war (Ah, Schweiz nicht Schweden!) - bekam ich viele Tipps rund um die Stadt; in bestem Deutsch.

Da ich auf Armut und vernachlässigte Bauten eingestellt war, verwunderten und beeindruckten mich die wunderschönen Bauten im Zentrum besonders.

Das gepflegte Stadtzentrum von Timisoara (alt: Temeswar)
Das gepflegte Stadtzentrum von Timisoara (alt: Temeswar)

Ein Hostel ohne Tücken

Was meine Unterkunft betraf, hatte ich mich eingestellt auf kalte, schlecht geputzte Räume und sehr schlichte Verhältnisse - aber welch ein Irrtum! 

Das Inverve-Hostel in Timisoara, Rumänien
Das Inverve-Hostel in Timisoara, Rumänien

Das gut bewertete Hostel hielt was versprochen wurde: es war warm in den Räumen, die Dusche geräumig und sauber, alles sehr gepflegt. Jedes Bett hatte eine Steckdose und für etwas Privatsphäre konnte man den Vorhang ziehen. Auch das Internet funktionierte tadellos. Keine "rumänisch-ärmlichen Verhältnissen".

Rumänisch kochen

Einzig die Küche war etwas bescheiden: sie bestand aus einem schmalen Bartisch, einem Platz zum Abwaschen, einem Toaster, einem Wasserkocher und einer Mikrowelle. Nix kochen. Ich war ziemlich enttäuscht, denn während der Saison in Disentis, war selbst kochen nicht möglich und ich hatte mich so sehr danach gesehnt. Ausserdem ist mein Bedürfnis nach einer warmen Mahlzeit ziemlich gross, wenn es kalt ist. 

Dieses Küchen-Phänomen würde mich durch die ganzen Wochen der Reise begleiten. Die Bedeutung des Wortes "Küche" muss in Rumänien definiert werden. Ein Kochherd und Backofen gehört eher nicht zur Grundausstattung ;-)

Zum Glück gelang es mir dem etwas abzugewinnen. Trotz meiner Widerstände gegen Mikrowellen, schaute ich via Internet, was ich mit der Mikrowelle anstellen kann. Ich lernte in der Mikrowelle kochen: Suppe mit Würstchen, Rühreier und sogar eines meiner Lieblingsessen "Gschwellti". 

Meine Frage bleibt, wieviele Vitamine so noch erhalten bleiben und wie gesund das ist - die Antwort ist offen geblieben. Es war einfach wie es war.

Rumänien - rund ums Geld

Sicher ist, die rumänischen Lebensmittel und die Kosten im Restaurant sind für mich als Schweizerin sehr günstig. 

Der rumänische Lei (oder RON) ist um die 0.20 Franken Wert.

3 dl Mineralwasser im Restaurant kosten umgerechnet 1 Franken, der Kaffee (ich trinke fast immer "Americano" oder Espresso Lungo") kostet 6.50 Lei, also noch nicht mal 1.50 Franken.

Nicht selten bekam ich auf dieser Reise Honig statt Zucker zum Tee. Recht bald fand ich das sogar schöner als den normalen Zucker

nette Kaffees in Temeswar...
nette Kaffees in Temeswar...
wo zum Tee Honig statt Zucker serviert wird
wo zum Tee Honig statt Zucker serviert wird


Die rumänische Sprache

Überrascht erkannte ich, dass ich geschriebenes Rumänisch, dank Französisch-, Deutsch- und Portugiesischkenntissen, grob einordnen kann. Probier es selbst einmal:

Cartofi, Reducere, Fenicul...
Cartofi, Reducere, Fenicul...
...Cremsnit - alles ziemlich verständlich
...Cremsnit - alles ziemlich verständlich

Die gesprochene Sprache verstand ich überhaupt nicht. Allerdings: ich hatte Rumänien so sehr als "Zwischenstopp" und "Durchgangstation" angesehen, dass ich mir nicht mal den minimalen Reisewortschatz wie "Guten Tage, Entschuldigung, Danke und auf Wiedersehen" angeeignet hatte.

Wie bei einem leichten elektrischer Schlag, zuckte ich an dem Tag zusammen, an dem ich an der Kasse stand und jemand "Merci" sagte.
Franzosen? Nein.
Hatte ich mich getäuscht? Nein.
Tatsächlich sagen die Rumänen, neben dem für mich unaussprechlichem "mulțumesc", oft "Merci" um sich zu bedanken. Begeistert übernahm ich dieses erste Wort in meinen Rumänisch-Wortschatz auf :-)


Auswanderungsgeschichten: die Deutschen in Rumänien und die verwaisten Kinder

Dass in Teilen von Rumänien Deutsch gesprochen wird, hatte ich schon vor meiner Anreise mitbekommen. Wie das kommt interessierte mich und so suchte ich mir einige Informationen zusammen. Ich staunte nicht schlecht, als ich entdeckte, dass es  gleich um die Ecke des Hostels eine deutsche Buchhandlung gibt. Ich ging hin und erstand das Buch "Rumänien, der unbekannte Nachbar"

Timisoara - Piața Unirii
Timisoara - Piața Unirii

So kam es, dass ich von der Auswanderungsgeschichte der Deutschen nach Rumänien (12. Jh) erfuhr, aber auch von der aktuellen Kinderarmut. 

Zur Geschichte der sogenannten "Siebenbürger Sachsen" fand ich ein interessanes Museum in Sibiu. Und zu der Situation der Kinder erfuhr ich, dass die Kinderheime besser seien als zu Zeit Ceaușescus. Aber noch heute sind viele Rumänen so arm, dass sie nur ein Mittel sehen, um zu Geld zu kommen: im Ausland arbeiten gehen. Zurück bleiben dann oft die Kinder und deren Grosseltern oder andere Verwandte, die sich mehr oder weniger gut um die Kinder kümmern (können).

Am dritten Tag in Timisoara übernachtete eine junge Frau in "meinem" Hostel, das mir bis dahin ganz allein gehörte. Bald erzählte sie, dass sie als Freiwillige in einem Kinderheim gearbeitet hat und am liebsten dableiben möchte. 

Und so verwickelte mich dieses Land, das wie gesagt nur ein Zwischenstopp sein sollte, in wenigen Tagen so sehr in seine Atmosphäre und seine Angelegenheiten, dass ich entschied mich auf diesen Sog einzulassen. Ich wollte mich weder herausreissen, noch unnötige Strapazen durch zu ambitionierte Reisepläne produzieren. Bulgarien musste erstmal warten. Ich würde mich erst auf Rumänien einlassen und ad hoc planen, wohin die Reise geht.


Zugfahren in Rumänien

Zu der einen jungen Frau gesellte sich bald eine zweite. Emily, eine junge Rumänin aus Bukarest. Sie war begeistert mich kennen zu lernen, denn sie lernte seit einigen Monaten Deutsch und freute sich ihre bereits ausgezeichneten Deutschkenntnisse anwenden zu können.

auch die Rumänen gehen Pizza essen
auch die Rumänen gehen Pizza essen

Wir verbrachten zu dritt etwas Zeit mit Gesprächen, besuchten das Banat Village Museum und gingen zusammen eine Pizza essen

Beide Frauen waren mit Zug und Bus nach Timisoara angereist und schilderten mir, wie chaotisch ihre Anreise gewesen war. Busse, die nicht fahren oder sich verspäten waren das eine. Das Personal und die rumänische Verhaltensweisen das andere. 

Rumänien ist  nicht die Schweiz

Die Helferin aus dem Kinderheim erzählte, dass sie nur mühsam herausfinden konnte, wo der Bus losfährt. Es gab keine Schild für die Haltestelle und keinen Plan, wann der Bus fährt. Eine Frau aus dem Dorf erklärte es ihr und stieg wenig später an eben dieser Stelle in einen Kleinbus, der angehalten hatte. Das, so fand die Helferin aus dem Kinderheim wenig später heraus, war der erwartete Bus gewesen - allerdings deutlich zu früh (!). Obwohl die Dame quasi neben ihr stand und gewusste hatte, wohin die Ausländerin will und dass der Bus nur einmal täglich fährt, machte sie sie nicht darauf aufmerksam.

Am nächsten Tag klappte es, aber die Zugreise war eine Odysee mit stundenlanger Verspätung.

Die Kehrseite der rumänischen Gemütlichkeit

"Ist das typisch rumänisch?" fragte ich die beiden Frauen, denn so etwas Ähnliches hatte ich im Supermarkt an der Kasse erlebt: Die Kundin vor mir hat eine Salatgurke liegen gelassen. Ich machte die Verkäuferin darauf aufmerksam. Diese nahm die Gurke zu sich an die Kasse und scannte die Einkäufe der nächsten Kundin ab, obwohl die Kundin mit bzw. ohne Gurke nur wenige Meter weiter vorne stand.

 Ja, das sehe sie immer wieder in Rumänien, sagte Emily. Die Leute kümmern sich nicht um Dinge oder Menschen. Sie machen einfach ihren Job, aber nichts darüber hinaus. Auch im Tourismus falle das teilweise negativ auf. Sichtbar sei das auch  an den oft spärlichen oder gänzlich fehlenden Fremdsprachenkenntnissen der Rumänen. "Die Leute verdienen so wenig", erklärte mir Emily, "die wollen keine Zeit und kein Geld investieren". Sie selbst hat allerdings längst begriffen, dass sie grössere Jobmöglichkeiten hat, wenn sie in ihre Weiterbildung investiert.

Emilys Odysse - mit dem Zug nach Bukarest

Als Emily bald darauf abreiste, rief sie mich spätabends vom Bahnhof Timisoara an. Ihr Zug habe stundenlange Verspätung, sie komme wieder zurück in Hostel. Wir verbrachten also wieder ein paar Stunden mit fröhlichem Geplauder. Dann verabschiedete sie sich erneut und - stand einige Stunden später wieder vor der Tür des Hostels und übernachtete noch einmal. Was war passiert? Am Telefon hatte man ihr die vermutete Ankunftszeit des Zuges mitgeteilt. Als sie zu dieser Zeit am Bahnhof eintraf, war der Zug bereits weg...

Das machte mir wenig Hoffnung auf ein stressfreies Reisen. Ich wappnete mich innerlich und beschloss die Herausforderung gering zu halten. Immerhin verstand ich die Landessprache nicht und Englisch sprechen fast nur die jungen Leute: Vorerst plante ich nur direkte Reisen ohne Umstieg und sorgte für stundenlange zeitliche Puffer.


Meine erste Zugreise in Rumänien

Ich brach am nächsten Tag früh nach Sibiu auf. Emily brachte mich zum Bahnhof. Da war ich am Tag zuvor schon gewesen, hatte aber nicht herausbekommen, wie ich die Gleisnummer herausfinde und wie die Gleise angeordnet sind. Auch Emily fand keine Gleisnummern, ausser die auf dem Plan. Aber sie fragte sich für mich durch. Eine Weile sassen wir noch zusammen auf der Bank, dann ging sie. Und ich wartete zappelig ab, ob meine Reise ein Abenteuer oder ein Desaster werden würde.

Der Bahnwart ist aufmerksam. Eile ist hier ein Fremdwort
Der Bahnwart ist aufmerksam. Eile ist hier ein Fremdwort
Hier darf man zum Einsteigen noch über die Geleise laufen
Hier darf man zum Einsteigen noch über die Geleise laufen
eher Leiter als Treppe - der Einstieg
eher Leiter als Treppe - der Einstieg

Mein Bummelzug, war offensichtlich schon viele Jahre alt. Das war ein Gequitsche und Gerumpel als der Zug 45 Minuten vor der Abfahrt einfuhr!  Und mit Schrecken sah ich, dass einige alte Damen den steilen Einstieg in den  Zug kaum schafften. Selbst ich zog mich am Geländer hoch, denn diese "Treppe" war eher eine Leiter. 

Ich setzte mich natürlich sofort in den Zug. Keinesfalls wollte ich mich auf die propagierte Abfahrtszeit verlassen. Das Risiko, dass der Zug verfrüht abfahren könnte, war mir zu gross.

Um es vorneweg zu nehmen: die Bahnfahrt klappte wunderbar. Und auch alle weiteren Reisen innerhalb des Landes. Nur auf der Rückreise, traf ich mit 2 Stunden Verspätung in Budapest ein. Aber sowas passiert ja auch mal in der Schweiz.


Mit dem Bummelzug durch halb Rumänien

Emily hatte sich amüsiert, als ich erzählte, dass ich extra Bummelzüge ausgewählt habe, weil ich ja etwas vom Land sehen und nicht hindurchrasen will. Ausserdem kosten diese Züge gerade mal die Hälfte der schnellen Zügen. "Da hast du die Unterhaltungsshow gleich mit dabei", versprach sie mir. Ich würde mit der Landbevölkerung, mit echten Rumäninnen und Rumänen in Kontakt kommen.

So war es denn auch. Auf meinen stundenlangen Zugreisen durch Rumänien erlebte ich den Alltag der Leute. Romakinder bettelten mich um Geld an. Ein alter Opa erzählte mir, im gebrochenen Deutsch warum er deutsch spricht. Ein Familienvater bat mich um Geld für Nahrungsmittel für seine Kinder und eine alte Damen schaute mir, wie eine Wächterin, während dieser Szene zu. Sie schwieg und doch hatte ich das Gefühl, sie sei "der Häuptling" der kleinen Familie.
Ich sah, wie ausgegrenzt und wie ärmlich die Romas leben und sorgte nach diesen ersten Erfahrungen dafür, dass ich immer Schokolade oder sonst etwas Essbares für Gross und Klein dabei hatte. So schwer es mir fiel, ich wollte und konnte nicht immer Geld geben. Aber zumindest eine kleine Freude konnte ich ihnen schon machen.

das ist ein Bahnhof in Rumänien...
das ist ein Bahnhof in Rumänien...
...das auch
...das auch


Die Bahnfahrt-Therapie funktioniert

Anfangs ging es stundenlang übers weite Land ohne landschaftliche Höhepunkte. Tatam-tatam-tatam... so rattertet der Zug gemütlich durch die Landschaft. Insbesondere ab Brasov wurde die Landschaft abwechslungsreicher. Aber dieses Unspektakuläre, das gemütliche Rattern und die Langsamkeit (modern genannt "Slow travel") tat mir unendlich gut. Ich war ja noch ganz voll mit den Belastungen der vergangenen Woche in Disentis; voll von der Stunden des Angeschwiegen-werdens und der Angst, dass Antonios Schweigebehandlung irgendwann in offene Aggression mündet. 

Der Zug tuckerte mit mir quer durchs Land, schüttelte und rüttelte seine Fahrgäste durch und so sackte - mit Blick auf die vorbeiziehende Landschaft - all dieses in mir Angestaute langsam in sich zusammen und fiel im Lauf der Wochen brockenweise von mir ab. Ich konnte aufatmen und ankommen in einem Leben ohne diesen Balast.


Einige Merk-Würdigkeiten bei Bahnreisen in Rumänien

Lustig und interessant fand ich, 

  • dass die Abfahrtzeit auf dem Ticket von der Abfahrtszeit im Bahnhof ein wenig abwich.
Abfahrtszeit laut Ticket: 14:35
Abfahrtszeit laut Ticket: 14:35
Abfahrtszeit laut Tafel: 14:33
Abfahrtszeit laut Tafel: 14:33
  • die fest installierten Fahrpläne in den ländlichen Gegenden. Gültig bis Ende Jahr.

  • dass weit auf dem Land draussen der Zug immer so hielt, dass die hintersten Wagen noch genau auf der Strasse standen. Die Autos konnten nicht vorbeifahren. Wäre der Zug nur zwei Zugwagenlängen weitergefahren, wäre die Strasse frei gewesen und die Leute hätten trotzdem ein- und aussteigen können. Andere Länder, andere Sitten. Apropos - gesichert waren die Bahnübergänge natürlich nicht.
  • die grossen Tickets. Aber praktisch war das - alle Abfahrts- und Ankunftszeiten auf einen Blick! Und: 25 Lei, knapp 5 Franken, für einen halben Tag Zugfahren... da gibts nichts zu meckern.
die Bahntickets für Bummelzüge sind SEHR gross und günstig
die Bahntickets für Bummelzüge sind SEHR gross und günstig

Und so ging es von Station zu Station. Von einer grossen Stadt zur anderen. Und ich bekam einen groben Überblick über Rumänien (so wie  man meint die Schweiz zu kennen, wenn man Bern Zürich, Genf und Basel angeschaut hat :-) ). 

Dass ich mir noch einiges mehr werde ansehen wollen, war bald klar. Insbesondere für Bukarest und Constanza hätte ich mir gerne noch Zeit genommen. Aber in meinem Tempo war das nicht zu machen. Dennoch bin ich mit der Reise sehr zufrieden, die sich auf folgende Städte begrenzte:

Sibiu (Hermannstadt)

Spät abends traf ich in Sibiu ein und war erneut schockiert über die schönen Bauten im sanft beleuchteten Zentrum. Ja, es gab in den Nebenstrassen auch viel Verlottertes. Aber schon wieder auf eine gepflegten Innenstadt zu treffen, damit hatte ich einfach nicht gerechnet.

der grosse Platz in Sibiu
der grosse Platz in Sibiu
Sibiu Rumänien
Sibiu Rumänien
Toaster in einem rumänischen Studio
Toaster in einem rumänischen Studio

Es fehlte in der Küche an allem - zum Beispiel an Streichhölzern für den Gasherd. Die Stromleitungen/Steckdosen fand ich zum Fürchten.




Ich hatte das Schicksal allerdings ein bisschen herausgefordert und ein Studio mit einer mittelguten Bewertung gebucht. Da bekam ich dann meine Portion "Ärmlichkeit" ab:

Der Raum war muffig, roch nach Staub. Die Küche, war so an das Ende eines schmalen Ganges gequetscht, dass selbst ich kaum rein passte. Die Ellbogen musste man schon "verräumen", wenn man den Gasherd bedienen wollte.

Brasov

Berge würde ich in Brasov finden, hatte man mir gesagt. Ich war gespannt. Tatsächlich sah ich in Brasov seit langen wieder einmal einen - äh - ...Hügel. So richtiges "Berg-Gefühl" wollte nicht aufkommen. Aber da es deutlich kälter war als in den bisherigen Städten und nach Schnee roch kam ein bisschen Winterstimmung auf.

Brasov Rumänien
Brasov Rumänien

Einige Hostelgäste fuhren da oben auch tatsächlich Ski.

Ich war nicht so motiviert mit der Bahn den Berg hoch zu fahren, zudem gefiel mir Brasov selbst sehr gut. Die vielen schönen Gebäude und die gepflegten Geschäfte luden zum Bummeln ein. 

Ich fand im "Typografia" einen sehr guten Platz zum Kaffee trinken und arbeiten. Schon beinahe familiär war es da.



Sighișoara - ein Touristenmagnet

"Muss man gesehen haben", las ich in einem Artikel über die schönsten Städte in Rumänien. Zum Glück tat ich dies, und zum Glück in der Nebensaison. In der Hauptsaison muss dieser Ort völlig überlaufen sein. Hier zeigen sich also schon negative Folgen des Tourismus. So notwendig er für die rumänische Bevölkerung ist, dank Selfis ins Heimatland überbordet die Touristenanzahl.

Sighisoara Rumänien
Sighisoara Rumänien
Blick über Sighisoara
Blick über Sighisoara
Der Eingang in den alten Stadtteil
Der Eingang in den alten Stadtteil
Kern des alten Stadtteils
Kern des alten Stadtteils

In diesem Städtchen erlebte ich den denkwürdigsten Moment, der ganzen Reise: ich wartete vor dem Hotel auf meinen Gastgeber und sprach in der Zwischenzeit mit dem Nachbarn, der offenbar dessen Cousin war. 

Wie alle anderen Rumänen interessierte auch ihn, warum ich Rumänien besuche. Als er von meiner "Bummelei" erfuhr und dass es mich einfach interessiert Neues zu entdecken, abseits der touristischen Angebote, sagte er etwas Bedenkenswertes: sein Eindruck sei, dass die Leute aus dem Westen hierher kommen, um die typische westliche Hetzerei los zu werden. 
Es war ein denkwürdiger Moment. Denn als ich so neben ihm stand, blickte ich "mit der rumänischen Brille" nach Westen und konnte mit mehr Distanz auf unseren Lebensstil schauen. Seither weiss ich: ich bin ein Mensch aus dem Westen. Darum habe ich so manch verrückte Verhaltensweise erlernt.


Cluj (Klausenburg)

Auf einer Reise kann nie alles gut gehen. Cluj hat mich völlig überfordert. Es war unglaublich laut. Wahnsinnig viel Verkehr. Vielleicht hatte ich aber einfach auch zuviel gesehen und war überreizt von den Eindrücken der vorherigen Wochen. Jedenfalls verzeichnete ich es vorerst als Flop.

Dafür entdeckte ich ganz zufällig Medias und Oradea, zwei nicht ganz so grosse Städte auf dem Rückweg nach Budapest. Die beiden gefielen mir ausserordentlich, aber ich war auf der Durchfahrt und es reichte nur für einen Kaffee bzw. ein Mittagessen.


Landschaften in Rumänien

Beim Sichten meiner Fotos und Videos stellte ich fest, dass ich nur wenig Landschaftsbilder gemacht hatte. Meine Videos aus dem Zug gaben ein viel klareres Bild ab. Sie sind natürlich nicht in super-Qualität. Die schmutzigen Scheiben im Zug taten ihr übriges, aber sie geben doch einen Eindruck vom Land. Hier gehts zum YouTube-Kanal

Das Beste an Rumänien

  • das viele Alte macht einen ein bisschen nostalgisch :-)
  • es gibt viel zu entdecken, denn das Leben hier ist ein anderes und das Land ist gross
  • die Preise für Lebensmittel und Bahnfahrten sind für uns Schweizer sehr günstig
  • wenig(er) Hektik, kaum einmal wird man auf dem Trottoir überholt
  • die Bäckereien verkaufen direkt durch ein Fenster. Sie haben sehr viel Hefegebäck. Ich liebe es.
  • die Infrastruktur ist in den grossen Städten gut bis sehr gut
  • die Geschichte der Deutschen (Saxen und Siebenbürgen) ist interessant


Rückreise via Budapest

Der Highlights waren also schon viele. Dass Budapest auch noch eines sein wird, hätte ich nicht gedacht. Schliesslich wollte ich hier nur ein paar Nächte bleiben, um die lange Rückfahrt zu unterbrechen.

Parlamentsgebäude von Budapest - so schön!
Parlamentsgebäude von Budapest - so schön!

Als ich das erste Mal durch die Stadt lief, staunte ich nicht schlecht. Dank Suchmaschine fand ich heraus, dass Budapest das Paris des Ostens genannt wird - kein Wunder war ich platt.

Das gebuchte Hostel war ebenfalls eine Augenweide, allerdings wurde ich in ein Nebengebäude verfrachtet und das war ziemlich krass:

es sah ganz nett aus...
es sah ganz nett aus...
aber die Küche war schrecklich und der Raum schimmlig
aber die Küche war schrecklich und der Raum schimmlig

Ich checkte wieder aus und ging in ein Hostel auf der Margareteninsel

Die Insel selbst ist schon an sich eine Sehenswürdigkeit. Sie ist ein riesiger Park und rechts und links von ihr fliesst die Donau vorbei. Sitzt man abends auf der grossen Terasse des Hostel kann man den joggenden Menschen und den vorbeifahrenden Schiffen zuschauen. Sehr romantisch - also letzteres :-)

Die gemütliche Lounge im Hostel auf der Margareteninsel
Die gemütliche Lounge im Hostel auf der Margareteninsel


Die tatsächliche Route - Rückblick

eine Mini-Rundreise durch Rumänien

Unvorhergesehen wurde aus der Bulgarienreise also eine Rumänien-Rundreise bei der ich die Städte Timisoara, Sibiu, Brasov, Sighisoara und Cluj kennenlernen konnte und, via Zwischenstopp in Budapest, zurückreiste:

Das Land hat mir sehr gefallen. Garantiert werde ich zurückkehren. Geplant habe ich das grob für April/Mai 2023; dann mit dem Ziel bis ganz in den Osten ans Meer zu kommen und von da aus das Land zu erreichen, das ich eigentlich im Visier hatte: Bulgarien.

Zumindest ein paar Schritte über die Genze würde ich gerne tun. Bis dahin lerne ich noch die kyrillische Schrift, damit ich mich wenigstens einigermassen zurechtfinde.

© 2019 besser-als-zuvor, Daniela Räber, 6356 Rigi-Kaltbad
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